Lieber Herzensfreund!
Meinen ersten Beitrag widme ich einer ganz besonderen, lieben, geschätzten Person. Es handelt sich um Manuel (den Name habe ich selbstverständlich geändert, um seine Privatsphäre zu wahren), einem guten Freund. Manuel ist Ende 50. Er ist gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester auf einem kleinen, alten Milchviehbetrieb im Mühlviertel, Oberösterreich, aufgewachsen.
Sein Leben verlief alles andere als einfach. Sein Vater war sehr streng, cholerisch und unberechenbar. Seine Mutter, die unter ihrem Mann sehr litt, war zwar eine liebe Frau, doch der Hof stand über allem - auch über den Kindern. Seine Schwester Rosi war kein Menschenfreund. Dementsprechend giftig verhielt sie sich auch ihrem Bruder gegenüber. Eine herzliche Beziehung gab es in dieser Familie nicht. Manuel sollte als Ältester den Hof übernehmen. Er gab seinem Vater zu verstehen, dass er dazu bereit wäre, jedoch die Tiere auf Dauer nicht behalten würde. Das gefiel diesem nicht, und so gab er den Hof an seine Tochter weiter. Von grundloser Eifersucht getrieben, vertrieb sie Manuel vom Hof, sobald sie diesen offiziell übernommen hatte. Von heute auf morgen stand er heimatlos da. Damals war er Mitte 20.
Manuel litt sehr unter seinen familiären Verhältnissen. Er brachte nie ein Mädchen nachhause. Er schämte sich für seine Familie. Nicht weil es eine Bauernfamilie war, sondern wegen den herrschenden Umgangsformen. Er blieb sehr lange alleine und machte kaum Erfahrungen mit Frauen. Er hatte zwischendurch eine einzige Beziehung, doch diese war mehr Zweck als Liebe und nicht besonders gesund für ihn. Seine psychische Gesundheit war sehr angeschlagen. Sein Leben lang litt er unter seiner familiären Situation. Noch heute bestimmt sie sein Leben.
Als sein Vater starb und seine alleinstehende Schwester mit dem Hof überfordert war, brauchte sie seine Hilfe. Und so unterstützt Manuel Rosi neben seinem eigenen Vollzeitjob mehrmals unter der Woche, jedes Wochenende, jeden Urlaub und sogar teilweise in seinem Krankenstand. Manuel hat sein Glück nicht gefunden, weil er denkt, er habe es nicht verdient. Er lebt nicht sein eigenes Leben. Er meint, solange seine Mutter lebe, müsse er alles tun, um sie glücklich zu machen. Und Mutters Glück ist nun einmal der Hof. Also schuftet Manuel rund um die Uhr und lässt sich von seiner Schwester tyrannisieren. Nicht nur, dass sie sich für seine Hilfe nicht bedankt, sie behandelt ihn wie den letzten Dreck. Nichts macht er richtig. Manuel glaubt, das müsse er für seine Mutter ertragen. Sein Selbstwert ist gleich null.
Er lebt nicht sein eigenes Leben. Das hat er nie gelernt. Er hat es für seine Mutter geopfert. Über Lebensqualität, Erwartungen, Hoffnungen, Träume... darüber wurde in seiner Familie noch nie gesprochen. Überhaupt wurde noch nie etwas offen angesprochen. Jeder schweigt. Seine Mutter traut sich nichts gegen Rosi sagen. Manuel auch nicht. Er wird wohl noch einige Jahre durchhalten müssen. Und dann? Dann wird er über 60 sein. Für ein neues Leben wird es dann zu spät sein. Er ist eingefahren. Er weiß gar nicht, was es bedeutet, sich ruhig hinzusetzen und etwas zu genießen. Das hält er gar nicht aus. Am liebsten arbeitet Manuel. Dann muss er nicht nachdenken über sein verpfuschtes Leben. Und wenn er einmal nichts zu tun hat, springt er für seinen Freund ein. Der kann immer Hilfe brauchen.
Manuel ist kein Einzelfall. Aber wie willst du jemandem helfen, dem nicht geholfen werden will? Das ist schwer auszuhalten. Aber ich musste lernen, dass ich niemanden retten kann, der nicht gerettet werden will. Das ist so traurig.
Befindest du dich in einer ähnlichen Situation? Wenn ja, dann gib nicht auf! Es gibt immer Hoffnung! Es gibt immer eine Wahl! Deine Wahl! Wenn du es alleine nicht schaffst, dann zögere nicht, dir Hilfe zu suchen und anzunehmen. Es ist keine Schande, sondern zeugt von Größe und Mut! Finde heraus, welcher dein Weg ist! Lebe dein Leben!
Deine Tina
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